grad hab ich nochmal unsere dichtness-konversation gelesen, und da hat sich mir die frage aufgedrängt, warum mein leben trotzdem oft so dicht ist, wo ich doch eh die choices reduziere wo geht. es stört mich ja auch gar nicht (mehr) so mich entscheiden zu müssen, aber egal wie ich entscheide hängt mir doch phasenweise die zunge bis zum boden. egal ob mit oder ohne job, mit oder ohne ausbildung, mit oder ohne kleinkindern. und zudem bringt eine zusätzliche aktivität, wie vor zwei jahren bei mir das musik machen, subjektiv ein weniger an dichtness und ich könnt nicht mal sagen wieso.
paradox of life?
spannend dazu war mal wieder input von frau p., denn sie meint es geht um expansion vs. kontraktion. das wir also während des tages, des jahres, des lebens zeiten brauchen, in denen wir uns ausdehnen, aktiv sind, tun und machen, aber im gegenzug auch zeiten wo wir uns zurückziehen, empfangen, loslassen. hm, klingt nicht so neu wenn ich das hier so hinschreib. alte yin und yang esoterik. trotzdem ist die überlegung überdenkenswert, dass ich vielleicht deshalb immer wieder in der erschöpfung lande, weil ich mir nach dem ausdehnen, wenn der impuls zum loslassen kommt denke, ah, da geht noch was, jetzt bin ich doch grad so schön drin im tun. und dann push ich nochmal. vielleicht hilft deshalb das langsamere tun? weil die kleine stimme, die eh weiß dass jetzt ruhe angesagt ist, mehr zeit hat sich zu rühren? oder ich mehr zeit hab hinzuhören? aber das heißt dann auch, dass sich in einem tag viel weniger ausgeht. und der schweinehund kommt dann ja auch noch dazu, was ist mit dem? kürzlich schrieb ich:
als ich nicht laufen konnte, ist es mir irgendwann gar nicht mehr abgegangen. einmal wieder gelaufen – zack, das bedürfnis ist wieder da.
das ich nicht lache! einmal wieder ausgefallen, zack ist das bedürfnis wieder weg. es kommt zwar manchmal unter der woche, aber montag morgens um acht bin ich grad spitzenmäßig im zurückziehen und loslassen.
home sweet home. das waren vielleicht dichte tage. berlin. die in einer stadt manifestierte metapher unendlicher möglichkeiten, potentielle aktivität 24/7. heute flug retour, rumgechecke, kommunikationszeug, bis 21.45h vorlesung, morgen prüfung, bachelor-arbeit im endspurt, sachen.
und überhaupt.
hatte ich mir doch so vorgenommen, die berlintage ein bisschen entspannter zu verbringen. mit E. ausgemacht, es wird gechillt! und dann haben wir uns wieder reingestrudelt, jeden tag eine ziemlich gröbere action angerissen, von partneryoga über tättowier-sause bis body-workshop und sachen. adrenalin all over! ohne jetzt ganz ins ich-bin-so-arm-luxusproblemgejammer abzudriften: klar ist das ein lifestyle und eine art von freizeitgestaltung für die ich mich aktiv entschieden habe. aber das ständige rumgechecke, wann wer wo was und dann noch feinkoordination und so simple dinge wie – ubahn oder zu fuß? – und ich krieg schon überforderungszustände. L. meinte dazu bei einem drink in der tante horst, entscheidungsfähigkeit sei auch eine ressourcenfrage. klar – je mehr dichtness, desto überfordert. aber selbst in (frei-)zeiten – quasi „accessible ressources“ – macht mich entscheidungsmuss immer wieder unrund. egal ob städtetrip oder alltagskram. mit jeder wahl entscheidet man sich ja für etwas, und zwangsweise zeitgleich gegen eine unendliche anzahl anderer optionen. und man wird nie wissen ob eine andere wahl nicht doch die bessere gewesen wäre, und in einem paralleluniversum die anderen multiplen hanna’s nicht doch lieber einen apfelstreusel- statt dem schokokuchen, die performancekunst dem betriebswirtschaftlichen kommunikationsstudium und motiv X, Y oder Z der vor 3 tagen tättowierten liegenden acht vorgezogen hätten. end of choice. und dass ich mich jetzt gerade ein wenig über mein tattoo ärgere ist vielleicht ja nur eine art phantomschmerz, weil ich eben keine wahl mehr habe. das ding ist auf meinem handgelenk eingebrannt, und wird mich von jetzt an mein leben lang begleiten. und an diesen moment erinnern. das war ja auch der deal. eigentlich. deine deutung, in all den unendlichen möglichkeiten auch mal auf den punkt zu kommen, trifft wohl’s auch auf – genau diesen – punkt.
aber ich kann mir ja jetzt schlecht jeden entscheidungsprozess unter die haut tackern.
also: reduktion. beispielsweise die entscheidung vor ca. 5 jahren, nur mehr schwarz zu tragen, und etwas später – winkewinke, timoni west – auch nur mehr eine bestimmte kombination an einheitlichen kleidungsstücken. jeden. tag. eine entscheidung, die viele zukünftige entscheidungen erspart.
lange dachte ich, meine entscheidungsunfreudigkeit – gerade in alltagssituationen – sei eine persönliche macke.
und dann, die entdeckung – mein unwille hat einen namen:
the paradox of choice
darüber bin ich erstmals in einem fm4 doppelzimmer mit armin wolf gestolpert. er hat damals barry schwartz und sein diesbezügliches buch zitiert, wonach ein mehr an auswahl nicht ein mehr an glück oder zufriedenheit impliziert – sondern vielmehr das gegenteil. ich hab dir das ja auch geschenkt wenn ich mich richtig erinnere – was hältst du von seinem ansatz?
schwartz spricht von paralyse, überhöhten erwartungshaltungen, reduzierten satisfaktions-gefühlen nach getroffenen entscheidungen. von einer metaphorischen fish bowl, die notwendig ist, um eine paralyse durch unendliche möglichkeiten einzugrenzen.
ergo: kontrastrategie veganismus! unsere fish bowl. (ohne fisch.) mit dem vegan-werden noch mal jede menge entscheidungssituationen weg: ob in der gastronomie, beim bäcker oder im supermarkt – große teilbereiche (milchregal!) fallen vollkommen weg. eine wohltat. wenn auch mit mehr auseinandersetzung des eigenen nahrungsaufnahmeverhaltens gekoppelt, um sich nicht automatisch alle tage von weissbrot und vodka zu ernähren (dahlke, ich hör dir trapsen!).
du hast das ja auch in sachen morgensport erwähnt:
eine der verblüffendsten folgen der umstellung auf vegan: viele dinge fallen dann von selber weg, und ich muss mir darüber überhaupt keine gedanken mehr machen. mindetens 90% allen süssjunks, mindestens 90% aller kosmetika, usw. usf. und das entspannt total. ich dachte eigentlich immer vegan leben ist anstrengend. mit dem nicht mehr zur wahl stehen ist das bedürfnis danach dann auch ziemlich schnell weg.
sollten wir vielleicht dem herrn schwarz flüstern. hier noch seine conclusio im o-ton anno 2005:
wie lässt sich die entscheidungs-paralyse vermeiden? oder bewältigen? oder ist es doch die dichtness, die mangelnden ressourcen? oder eh wurscht?
grübelnd
und sich mit taschentüchern und sauscharfer instantsuppe ins bett verkrümelnd,