tattoo ohne tier

liebes lesterschwein,

ein veganes tattoo also. in berlin. mit E.

und während ich noch über un- und endlichkeit, entscheidungsverfahren, dogmen und selbstsabotage vor mich hin grüble, notiere ich mal die technischen details unserer sause. vielleicht ist dann der rest auch besser in worte zu fassen.

hier nun mal in wort und bild: mein handgelenk – vorher & nachher.

vegan tattoo berlin by yves webster

von tinten und melkfett

E. und ich wollen uns tättowieren lassen. egal was, egal wo, aber gemeinsam. als aktion, manifestation einer momentaufnahme. weil’s geht. bei der suche nach passenden artists und studios in wien, berlin oder dazwischen stoßen wir bei recherchen auf ein uns bis dato unbekanntes faktum:

From: H.
To: E.
Date: 12 September 2012 04:07
Subject: vegan tattoo

wusstest du dass tattoo-farbe mostly tierisch ist?! wollen wir einen veganen tattoo-laden auschecken oder ist dir das nicht so wichtig? find ich schon krass irgendwie…

http://ieatgrass.com/2012/09/vegan-ink-a-love-affair-with-williamsburgs-gristle-tattoo/

(…)

From: E.
To: H.
Date: 12 September 2012 14:37
Subject: Re: vegan tattoo

ieeeeh- nein das wusste ich nicht! damn. hab endlich eine idee! lass uns das vegan machen unbedingt!

somit hat unser projekt automatisch einen neuen fokus bekommen – E. als langjährige veganerin und ich als neo-vegan wollten nicht unser leben lang verbrannte tierknochen oder sonstige substanzen unter unserer haut tragen. von einer liste veganer tattoo farben  ausgehend sind wir auf ein paar artists in österreich und deutschland gestoßen. und nachdem ich noch in kanada beschlossen hatte, am wochenende des valentinstages E. in berlin zu besuchen, hat sie einige tattoo artists ebenda angeschrieben. unter anderem auch eine frau, die sie am ufa-brotstand kennengelernt hatte, und die bis vor kurzem in einem tattooladen ganz in der nähe von E.’s wohnung gearbeitet hatte. ihre kontaktdaten sind noch heute über E.’s schreibtisch auf einem pappkuchenteller notiert…

wie der zufall so spielt, hat betreffende dame nicht nur vegane farben im angebot, ist selbst veganerin und hatte an diesem wochenende zeit – sie ist auch noch eine famose person. zuvorkommend, serviceorientiert, professionell – und gleichzeitig herzlich, witzig und kreativ. ihr name: Y. Webster.

unserem vegan-wunsch wurde nicht nur mit der entsprechenden tattoo-farbe entsprochen, sondern Y. besorgte sogar extra einen tiegel melkfett für die arbeit an unseren motiven statt die ansonsten übliche (non-vegane) vaseline zu verwenden.

tättowieren in wohnzimmeratmosphäre

und nicht nur atmosphäre, sondern wohnzimmer: nachdem Y. aktuell ihre selbständige tätigkeit aufbaut und in keinem studio mehr fix engagiert ist, arbeitet sie derzeit vorübergehend bei sich zu hause im wohnzimmer: tättowier-gerät, massagetisch, unmengen desinfektionsmittel und plastikfolie sowie ein grandioser pilotenkoffer voller utensilien (auf den E. sofort ein auge geworfen hatte) machen’s möglich.

in fragen der motivwahl waren E. und ich gleichermaßen unsicher, ich hatte schon länger die liegende acht im auge – die allerdings leider ein furchtbar gängiges motiv ist, während sie noch 2 stunden vor dem termin mit kajal, edding und kuli bewaffnet verschiedene strichstärken und ringabstände auf ihren oberarm malte. egal, es geht um die aktion. das manifestieren. die momentaufnahme. remember? reichlich hibbelig sind wir jedenfalls zu Y. wohnung marschiert.

Y. hat ihr möglichstes getan um uns eine relaxte umgebung zu bieten, inklusiver kundinnenspezifischer musikauswahl („vielleicht so ein elektronik-gefrickel?“ – „ ♪ ♫ „), und stand uns mit rat und tat zur seite: von jede menge aftercare-tipps inklusive mehrmaligen wiederholungen (nervosität kills aufnahmefähigkeit) über insights zur berliner tattoo-szene über geschichten zu ihren artworks und persönlichen erfahrungen.

schwarz ist nicht gleich schwarz

bei farben hat Y. verschiedene erfahrungswerte, sie zeigte uns auch an hand ihrer eigenen motive wie sich die veganen und nicht-veganenen farben auf der haut verhalten: vegane farben sind unter umständen etwas weniger kräftig, und verblassen mit der zeit etwas – was natürlich auch mit der hautalterung und der individuellen pigmentierung zusammenhängt. ich entschied mich in diesem fall für ein veganes schwarz, und den verblassenden effekt finde ich sogar ziemlich charmant, da das tattoo so quasi mitaltert und somit die verstreichende zeit dokumentiert… und den charakter ändert.

anyways, ich durfte als erste an die reihe. Y. malte die liegende acht – von mir mit einer kleinen unterbrechung adaptiert – wir verkleinerten sie noch um 15%, und nach dem aufbau des tattoo-tisches sowie einer umfassenden desinfektionsrunde ging’s schon los:  orientierungslinie auf’s handgelenk malen, motiv abpausen, maschine anwerfen, und ruck-zuck farbe unter die haut knallen. im gegenzug ist mir die farbe aus dem gesicht gewichen, und nur mit einem ordentlichen quantum konzentration konnte ich vermeiden, nicht ständig mit der hand zu zucken. aber bald war aufatmen angesagt: nach einer knappen viertel stunde war der spuk auch schon wieder vorbei. E. hat sich weitaus entspannter die beiden ringe auf den rechten oberarm gravieren lassen. Y.’s fazit:

„jetzt hab ich auch 2 kleine wienerinnen in meinem kundenstamm!“

und jetzt: cremen, cremen, cremen…

direkt nach dem stechen trägt der tattoo-artist eine dicke fettschicht auf, und das motiv wird über nacht mit plastikfolie abgeklebt. am nächsten morgen kann man bei kleinen motiven wie unseren die folie entfernen, das motiv säubern und selber creme auftragen und das ganze an der luft heilen lassen. E. hat sogar einen richtigen schmier-fetisch entwickelt und cremt ihre ringe mehrmals täglich und sogar stündlich ein ;-)

Y. empfiehlt eine panthenol-salbe, E. verwendet eine hamamelis-creme die sie noch zu hause hatte. wichtig ist, dass die aftercare-creme kein zink enthält, das sonst wie eine zugsalbe wirkt.

apropos aftercare: sogar mein noch immer etwas entzündetes nasenpiercing nahm sie ebenfalls unter die fachfrauen-lupe – sie ist nämlich sowohl ausgebildete tättowiererin als auch piercerin – und empfiehl mir eine wasserstoffperoxid-lösung mit 3% um das hypertrophe narbengewebe zu behandeln. für frische piercings empfiehlt sie eine lösung aus 1 teil camillosan und 2 teilen wasser, um mit einem damit getränkten wattestäbchen verkrustungen zu lösen. aber das ist eine andere geschichte… so bald werde ich mir weder metall noch farbe unter die haut treiben lassen ;-) trotz einer famosen professionistin wie Y. und der besten tattoo-schwester E.!

so weit, so punk. oder ist das schon post-punk? E. hat mir nämlich auch noch eine supere vegankochseite empfohlen: die post-punk-kitchen. von da hatte sie die meisten rezeptinspirationen für ihren veganen kuchenlieferservice. aber dazu mehr ein ander mal…

bis in baldigester bälde,
dein lesterschwein